RKI - RKI-Ratgeber - Haemophilus influenzae, invasive Infektion (2024)

RKI-Ratgeber

  • Präambel
  • Erreger
  • Vorkommen
  • Reservoir
  • Infektionsweg
  • Inkubationszeit
  • Klinische Symptomatik
  • Dauer der Ansteckungsfähigkeit
  • Diagnostik
    • 1. Differenzialdiagnostik
    • 2. Labordiagnostik
  • Therapie
  • Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen
    • 1. Präventive Maßnahmen
    • 2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen
    • 3. Umgang mit Kontaktpersonen
    • 4. Maßnahmen bei Ausbrüchen
  • Gesetzliche Grundlage
    • Meldepflicht gemäß IfSG
    • Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
    • Übermittlung
    • Weitergehende Mitteilungspflichten
  • Beratung und Spezialdiagnostik
    • Beratung zur Epidemiologie
    • Beratung zur Spezialdiagnostik
  • Ausgewählte Informationsquellen
  • Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Erstveröffentlichung online vorab am 15.12.2020, überarbeitete Fassung vom März 2021.

Erreger

Haemophilus influenzae (Hi), eine Spezies der Gattung Haemophilus aus der Familie der Pasteurellaceae, ist ein unbewegliches, gramnegatives, kokkoides Stäbchenbakterium. Die Bakterien kommen nur beim Menschen vor und besiedeln bei einem geringen Prozentsatz den Nasen-Rachen-Raum, ohne dabei Symptome zu verursachen. Auch eine vagin*le Kolonisation ist möglich. Hi-Bakterien können als bekapselte („typisierbar“) oder unbekapselte Stämme („nicht typisierbar“ oder NTHi) auftreten. Aufgrund der Kapselpolysaccharide werden sechs Typen unterschieden (Kapseltypen a bis f). Eine Impfung gibt es bisher nur gegen Hi-Bakterien mit dem Kapseltyp b (Hib).

Diese wird in Deutschland seit 1990 als Standardimpfung im Säuglings- und Kleinkindalter empfohlen. Für die Einschätzung der Wirksamkeit der Impfung und möglicher Auswirkungen auf die Kapseltypenverteilung, sowie auch für die Bestimmung der durchzuführenden Maßnahmen zum Schutz der Umgebung bei einer invasiven Infektion ist eine Typisierung invasiver Isolate unbedingt notwendig.

Vorkommen

Hi-Erkrankungen treten weltweit auf. Vor der Entwicklung der Hib-Konjugatimpfung Ende der achtziger Jahre stellte Hib den Hauptauslöser der bakteriellen Meningitis bei Kleinkindern weltweit dar. Im Jahr 2000 – vor der weitverbreiteten Einführung der Impfung in ressourcenarmen Ländern – erkrankten laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 8,13 Millionen Kinder unter 5 Jahren schwer an Hib, 371.000 Kinder starben an einer Hib-Infektion. Im Jahr 2008 war die Hib-Impfung weltweit in 136 Staaten eingeführt. Die Zahl der Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren wurde weltweit auf 203.000 geschätzt. 2013 hatten 95% der WHO Mitgliedstaaten (entsprechend 81% der 2012 geborenen Kinder) die Hib-Impfung in ihren Impfkalender aufgenommen, was in diesen Ländern zu einem Rückgang von bis zu 90% der invasiven Hib-Erkrankungen führte. In Europa wie auch in verschiedenen anderen Regionen ist NTHi jetzt der häufigste invasive Hi-Typ. In ungeimpften Populationen ist Hib hingegen noch die Hauptursache von nicht-epidemischer bakterieller Meningitis bei Kindern unter 12 Monaten.

In Deutschland gehören invasive Hi-Erkrankungen bei einer bundesweiten Inzidenz von bis zu 1,0/100.000 Einwohner zu den eher seltenen meldepflichtigen Erkrankungen, auch wenn ihre Zahl seit 2007 kontinuierlich angestiegen ist. Ältere Menschen sind am häufigsten betroffen. Daneben erkranken auch Säuglinge sowie Kleinkinder unter 5 Jahren. Die Mehrheit der Erkrankungen wird in allen Altersgruppen überwiegend durch NTHi verursacht. Invasive Infektionen durch Hib sind mit ca. 10-35 Fällen pro Jahr dagegen in Deutschland eher selten.

Aktuelle Fallzahlen zu invasiven Infektionen durch Hi und weitere epidemiologische Kenngrößen finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden.

Reservoir

Das einzig bekannte Reservoir ist der Mensch.

Infektionsweg

Die Übertragung erfolgt durch das Einatmen erregerhaltiger Tröpfchen (Husten, Niesen) sowie durch Kontakt mit infektiösen Atemwegssekreten. Während der Geburt kann eine Übertragung auf das Neugeborene im Geburtskanal erfolgen.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit ist nicht genau bekannt, möglicherweise 2 bis 4 Tage.

Klinische Symptomatik

Hi verursacht häufig Infektionen der Atemwege (Sinusitis, Bronchitis), vor allem bei Patienten mit vorbestehenden Lungenerkrankungen. Auch andere Organe wie Augen (Konjunktivitis) oder Ohren (Otitis media) können betroffen sein. Invasive Hi-Erkrankungen zeigen sich am häufigsten als Sepsis, Meningitis und Pneumonie (oft mit einer Bakteriämie des Erregers verbunden). Insbesondere bei Kindern gefürchtet ist zudem die Epiglottitis. Seltener treten im Rahmen von invasiven Erkrankungen auch septische Arthritis, Phlegmone, Osteomyelitis, Peritonitis, Empyem oder Perikarditis auf.

Eine durch Hi verursachte Meningitis beginnt häufig fulminant mit plötzlich einsetzendem Fieber, Erbrechen, Lethargie und meningealer Reizung einschließlich aufgetriebener Fontanellen beim Säugling oder Nacken- und Rückensteifigkeit (Opisthotonus) bei älteren Kindern. Stupor oder Koma sind häufig. Die Letalität liegt in Industrieländern bei ca. 5%. Zudem besteht ein hohes Risiko für Folgeschäden: bis zu 25% entwickeln einen dauerhaften Hörverlust oder andere neurologische Langzeitschäden.

Eine Epiglottitis entwickelt sich innerhalb von wenigen Stunden; 25-50% der Patienten zeigen katarrhalische Symptome, Schluckbeschwerden, inspiratorischen Stridor und Unruhe. Es folgt eine rasch auftretende Schocksymptomatik mit Zyanose und hohem Fieber.

Schwangere haben ein deutlich erhöhtes Risiko für invasive NTHi-Infektionen. Die Infektion kann bei der Mutter zu Sepsis führen, dazu kann es in der Folge zu Schwangerschaftskomplikationen bis hin zu Frühgeburt oder Abort kommen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange Hi-Bakterien nachweisbar sind, also eventuell auch über das Symptomende hinaus. 24 h nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie sind Patienten nicht mehr ansteckend. Die Gabe von Rifampicin führt bei Hib zu einer Keimeradikation im Nasopharynx des Patienten.

Diagnostik

1. Differenzialdiagnostik

Eine Hi-Erkrankung kann klinisch nicht von durch andere Bakterien ausgelösten invasiven Erkrankungen unterschieden werden. Daher sollten bei klinischem Verdacht auf eine Hi-Infektion eine schnell einsetzende Diagnostik und Therapie erfolgen.

2. Labordiagnostik

Die Untersuchung auf Hi beruht grundsätzlich auf der Anzucht, Identifikation und Typisierung des Erregers aus Patientenproben. An kulturunabhängigen Methoden haben vor allem die Direktmikroskopie von Liquor und der Nachweis über Polymerase-Kettenreaktion (PCR) einen Stellenwert. Darüber hinaus sind Antigen-Nachweise für die Liquordiagnostik kommerziell erhältlich.

Diagnostische Proben sollten grundsätzlich vor Beginn einer antibiotischen Therapie entnommen werden. Hi ist ein anspruchsvoll wachsendes Bakterium und eine Kultur sollte daher so schnell wie möglich, idealerweise innerhalb von 2-4 h nach Probenentnahme angelegt werden. Bei zweifelhaften Isolaten kann der PCR-Nachweis spezifischer Hi-Gene die Diagnose sichern. Auch die massenspektrometrische Identifikation (MALDI-TOF) ist mittlerweile weit fortgeschritten und kann hierzu Klarheit schaffen.

Zum molekularbiologischen Nachweis sind zahlreiche realtime PCRs etabliert, welche spezifische Hi-Gene detektieren. Es ist jedoch zu beachten, dass PCR-Formate, welche nur Gene des Kapsel-Locus amplifizieren, z.B. bexA, prinzipiell nur bekapselte Hi detektieren, darunter den ehemals häufigsten Serotyp b (Hib). Unbekapselte Stämme, welche derzeit weitaus am häufigsten invasive Infektionen verursachen, werden durch diese Teste nicht erfasst.

Sogenannte Schnelltests mittels Latex-Agglutination sind zur direkten Detektion von Hi-Antigenen aus Körperflüssigkeiten, v.a. Liquor verfügbar. Für den Nachweis von Hi bieten diese Tests jedoch u.a. aufgrund begrenzter Sensitivität und Spezifität für die klinische Entscheidungsfindung bei einem Meningitisverdacht keinen Vorteil gegenüber der Direktmikroskopie von Liquor.

Der Antikörpernachweis gegen Hib dient der Bestimmung der Immunitätslage vor oder nach einer Impfung. Zur Diagnostik einer akuten Infektion ist die Antikörperbestimmung nicht geeignet.

Die Typisierung von Hi-Stämmen beruht auf der Untersuchung der Kapsel angezüchteter Isolate. Am NRZ für Meningokokken und H. influenzae (NRZMHi) werden alle klinischen Isolate aus Liquor und Blut mit Objektträgeragglutination und ggf. per PCR serotypisiert. Für spezielle epidemiologische Fragestellungen, z.B. zur Aufklärung einer möglichen Krankheitsübertragung lassen sich Hi-Stämme mittels Multilocus-Sequenztypisierung (MLST) oder Genomsequenzierung feintypisieren. Das NRZMHi überwacht zudem die Resistenzentwicklung bei invasiven Hi-Stämmen. Laboratorien, die primäre Diagnostik durchführen, sind aufgefordert, jedes Isolat aus Blut oder Liquor an das NRZ zu schicken, damit eine Typisierung des Erregers vorgenommen werden kann. Diese Untersuchung wird in Deutschland kostenlos vom NRZMHi angeboten. Hinweise zum Probentransport finden sich auf der Internetseite des NRZ für Meningokokken und H. influenzae. Die Serotypbestimmung erfolgt an Werktagen innerhalb von 24 h nach Eingang der Probe. Beim Nachweis von Hib erfolgt unverzüglich eine telefonische Vorabmitteilung an das Gesundheitsamt zur Entscheidung einer ggf. nötigen postexpositionellen Prophylaxe.

Therapie

Mittel der Wahl bei invasiven Hi-Erkrankungen sind Cephalosporine der Gruppe 3 zur parenteralen Therapie (z.B. Cefotaxim und Ceftriaxon). Wegen des Vorkommens Ampicillin-resistenter Stämme sollte Ampicillin nur eingesetzt werden, wenn die Sensibilität der Hi-Bakterien nachgewiesen wurde. Bei Hib-Meningitis kann die Gabe von Dexamethason vor oder zusammen mit der ersten Antibiotikum-Dosis einem Hirnödem entgegenwirken. Weiterhin wird bei einer invasiven Hib-Erkrankung die Gabe von Rifampicin vor der Entlassung zur Eradikation der Besiedlung des Nasopharynx und zur Verhinderung einer Zweiterkrankung beim Patienten oder von Folgefällen im Umfeld empfohlen. Dies ist besonders wichtig, wenn der Patient nicht mit Cefotaxim oder Ceftriaxon behandelt wurde.

Des Weiteren empfiehlt das ECDC nach invasiver Hib-Erkrankung bei Kindern den Hib-Antikörpertiter zu bestimmen und bei unzureichender Immunität zu impfen. Sollte eine Antikörpertestung nicht möglich sein, sollte bei Kindern unter 2 Jahren auch ohne Testung eine Impfung durchgeführt werden.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Gegen Hib wird seit 1990 in Deutschland eine Schutzimpfung mit einem Konjugatimpfstoff im Säuglings- und Kleinkindalter empfohlen. Für die Grundimmunisierung im Säuglingsalter wurden bis Juli 2020 ab dem Alter von 2 Monaten 3 Impfstoffdosen im Abstand von jeweils 4 Wochen mit einer 4. Dosis im Alter von 11 bis 14 Monaten verabreicht. Seit August 2020 gilt die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), eine Grundimmunisierung im Alter von 2, 4 und 11 Monaten mit je 1 Impfstoffdosis durchzuführen. Es ist sinnvoll, diese Impfungen mit einem Kombinationsimpfstoff (z.B. DTaP-IPV-Hib-HepB) durchzuführen, der gleichzeitig gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hib und Hepatitis B schützt. Wird bei einem gegen Hib ungeimpften Kind im Alter von 1 bis 4 Jahren die Hib-Impfung nachgeholt, reicht eine einmalige Impfung aus. Ab dem Alter von 5 Jahren ist eine Hib-Impfung nur in Ausnahmefällen, wie z.B. der funktionellen oder anatomischen Asplenie, indiziert (siehe Empfehlungen der STIKO). Der monovalente Hib-Einzelimpfstoff (Act-Hib®) wird aktuell in Deutschland nicht vermarktet, ist jedoch in der Regel über internationale Apotheken bestellbar.

Die Hib-Impfquote betrug bei den Schulanfängern 2018 auf Basis der Schuleingangsuntersuchung für das gesamte Bundesgebiet 91,4%.

Gegen die anderen Hi-Typen existiert derzeit keine Impfung.

2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen

Bei Verdacht auf eine invasive Hi-Erkrankung sollte eine sofortige Krankenhauseinweisung erfolgen.

Patienten mit invasiver Hib-Erkrankung müssen bis zu 24 h nach Beginn einer wirksamen Therapie isoliert werden. Danach gilt der Patient nicht mehr als infektiös. In diesem Zeitraum sind vom betreuenden Pflegepersonal und von den behandelnden Ärzten auf strikte Händehygiene und die adäquate Nutzung persönlicher Schutzausrüstung nach dem Basishygienekonzept zu achten.

Kontaktpersonen und ihr Umfeld sollten über das Infektionsrisiko und das Krankheitsbild informiert werden; für den Zeitraum von ca. 5 Tagen soll auf Fieber und unspezifische Allgemeinsymptome (Müdigkeit, Gliederschmerzen, Unwohlsein) geachtet werden. Zu den speziellen Maßnahmen wie Postexpositionsprophylaxe und Ausschluss von Gemeinschaftseinrichtungen bei Kontaktpersonen s. Abschnitt „Umgang mit Kontaktpersonen“.

Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG, u.a. Kindergärten, Schulen, Heime)

Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Hib-Meningitis erkrankt oder dessen verdächtig sind, die Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen sowie keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Eine Wiederzulassung für Erkrankte ist frühestens 24 h nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie möglich. Siehe hierzu auch Empfehlungen für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 Infektionsschutzgesetz.

Gemäß § 34 Abs. 7 kann die zuständige Behörde im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt für die in § 33 IfSG genannten Einrichtungen Ausnahmen von den genannten Verboten zulassen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden oder wurden, mit denen eine Übertragung der aufgeführten Erkrankung verhütet werden kann.

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Bei Auftreten von Einzelerkrankungen wird für alle mindestens 1 Monat alten Haushaltsmitglieder von Patienten mit invasiver Hib-Infektion und engem (face-to-face) Kontakt eine Chemoprophylaxe empfohlen, wenn in diesem Haushalt ein ungeimpftes oder unzureichend geimpftes Kind unter 5 Jahren oder eine Person mit relevanter Immundefizienz bzw. -suppression lebt. Das Ziel hierbei ist, die weitere Transmission in Personengruppen mit einem erhöhten Risiko für invasive Hib-Erkrankungen zu verhindern. Darüber hinaus sollen bei Auftreten von Einzelerkrankungen auch ungeimpfte Kinder unter 5 Jahren eine entsprechende Chemoprophylaxe erhalten, wenn sie in einer Gemeinschaftseinrichtung engen Kontakt (face-to-face) zu einer an invasiver Hib-Infektion erkrankten Personen hatten. Mittel der Wahl für die Prophylaxe ist Rifampicin per os über 4 Tage (altersabhängige Dosierung beachten). Da bei Schwangeren die Gabe von Rifampicin kontraindiziert ist, können sie ggf. Ceftriaxon (1 x 250 mg i.m.) erhalten. Die Prophylaxe sollte frühestmöglich, spätestens jedoch 7 Tage nach Beginn der Erkrankung des Indexfalls begonnen werden (siehe Empfehlungen der STIKO). Zusätzlich zur Chemoprophylaxe sollten ungeimpfte oder unvollständig geimpfte Kinder unter 5 Jahren gegen Hib nachgeimpft werden.

Zudem gelten für Kontaktpersonen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf Hib-Meningitis aufgetreten ist, ebenfalls gemäß § 34 Abs. 3 IfSG die oben genannten Vorschriften zu Besuch und Tätigkeit in Gemeinschaftseinrichtungen. Siehe hierzu auch Empfehlungen für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 Infektionsschutzgesetz.

Bei Kontaktpersonen, die eine Postexpositionsprophylaxe eingenommen haben, kann eine Wiederzulassung 24-48 h nach Beginn der Chemoprophylaxe erfolgen. Bei Kontaktpersonen, die keine Chemoprophylaxe eingenommen haben, sollte das ärztliche Urteil zur Wiederzulassung vom zuständigen Gesundheitsamt oder dem behandelnden Arzt getroffen werden. Entsprechend der angenommenen maximalen Inkubationszeit ist jedoch eine Wiederzulassung frühestens 4 Tage nach letztem Kontakt und bei Symptomfreiheit angezeigt.

Da bei Erkrankungen durch andere Hi-Typen als Hib Übertragungen selten sind, wird in diesen Fällen keine Postexpositionsprophylaxe empfohlen.

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Ausbrüche von Hib sind eher selten und betreffen meistens nur wenige Fälle. Übertragungen kommen insbesondere in Familien vor sowie in Gemeinschaftseinrichtungen, in denen kleine Kinder betreut werden. Ausbrüche in geschlossenen Gemeinschaften und in pädiatrischen und geriatrischen Krankenhausabteilungen wurden auch beschrieben. Wie auch bei Hib-Einzelfällen ist es entscheidend, bei klinischem Verdacht auf eine invasive Hi-Infektion eine sofortige Krankenhauseinweisung des Patienten zur frühen Diagnosestellung und ggf. antibiotischer Therapie zu veranlassen sowie zur weiteren Begrenzung des Ausbruchs die Empfehlung einer Chemoprophylaxe für enge Kontaktpersonen mit face-to-face-Kontakt auszusprechen (siehe „Maßnahmen bei Einzelerkrankungen“).

Wenn in einer Gemeinschaftseinrichtung für Kleinkinder innerhalb von etwa 2 Monaten ≥ 2 Fälle aufgetreten sind und in der Einrichtung nicht oder nicht ausreichend geimpfte Kinder betreut werden, wird eine Chemoprophylaxe für alle Kinder unabhängig von Impfstatus und Alter sowie für BetreuerInnen derselben Gruppe empfohlen. Außerdem sollen bei Kindern im Alter unter 5 Jahren die noch fehlenden Impfungen der Grundimmunisierung ergänzt werden.

Invasive Infektionen durch andere Hi-Typen führen fast nie zu Sekundärfällen.

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 18 IfSG nur der direkte Nachweis von Haemophilus influenzae aus Liquor oder Blut, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 h nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).

Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG

Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen

  • wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an invasiver Haemophilus influenzae - Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind oder
  • wenn in den Wohngemeinschaften der in ihrer Einrichtung betreuten oder betreuenden Personen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf invasive Haemophilus influenzae-Infektion aufgetreten ist.

Übermittlung

Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.

Weitergehende Mitteilungspflichten

Keine ergänzenden Bundesland-spezifischen Verordnungen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.

Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Ausführliche Informationen zu Haemophilus influenzae, Impfungen und viele weitere Links finden Sie unter Weitere Informationen.

Informationen zu Tropenreisen sind bei Tropeninstituten und anderen entsprechenden reisemedizinischen Beratungsstellen erhältlich (www.rki.de/reise).

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 33 - Impfprävention
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartnerin: Dr. med. Viktoria Schönfeld
Tel.: 030 18754 3357
Fax: 030 18754 3533
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Nationales Referenzzentrum für Meningokokken und Haemophilus influenzae
Institut für Hygiene und Mikrobiologie
Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2, E1, 97080 Würzburg
Ansprechpartner: PD Dr. rer. nat. Heike Claus, Dr. Thien-Tri Lam
Tel.: 0931 31 4 6737
Fax: 0931 31 4 6445
E-Mail: ttlam@hygiene.uni-wuerzburg.de
Internet: www.nrzmhi.de

Weitere Informationen

RKI: Haemophilus influenzae
(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/HaemophilusInfluenzae/HaemophilisInfluenzae.html)

RKI: Haemophilus influenzae – Impfung
(https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Haemophilus/haem_inf.html)

RKI: FAQ zu IfSG und Meldewesen
(www.rki.de/SharedDocs/FAQ/IfSG/weitere/FAQ_Liste_weitere.html)

Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Impfstoffe gegen Haemophilus influenzae
(https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/hib-haemophilus-influenzae-typ-b/hib-node.html)

NRZ für Meningokokken und H. influenzae: Daten des NRZMHi zu Haemophilus influenzae
(http://www.meningococcus.uni-wuerzburg.de/startseite/berichte/berichte-h-influenzae/)

Ausgewählte Informationsquellen

American Academy of Pediatrics: Red Book: 2015 Report of the Committee on Infectious Diseases, 30th ed. 2015; 368-376

Center for Disease Control and Prevention (CDC): Epidemiology and Prevention of Vaccine-Preventable Diseases, 13th ed. 2015; 119-134

Center for Disease Control and Prevention (CDC): Prevention and control of Haemophilus influenza type b disease: recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP). MMWR, Recommendations and Reports 2014; 63:1-14

European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC): Haemophilus influenzae, Annual epidemiological report for 2017 2019

European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC): Factsheet about Invasive Haemophilus influenzae disease
(https://ecdc.europa.eu/en/invasive-haemophilus-influenzae-disease/facts)

Public Health England (PHE), Department of Health and Social Care, and National Health Service (NHS) England: Revised recommendations for the prevention of secondary Haemophilus influenzae type b (Hib) disease 2013

Rieck T, Feig M, Siedler A: Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance. Epid Bull 2021; 49:6-49

Robert Koch Institut (RKI): Invasive Haemophilus-influenzae-Infektionen in Deutschland. Epid Bull 2011; 14:105-108

Whittaker R, Economopoulou A, Dias JG, et al.: Epidemiology of Invasive Haemophilus influenzae Disease, Europe, 2007-2014. Emerging Infectious Diseases 2017; 23:396-404

World Health Organization (WHO): Haemophilus influenzae type b (Hib) Vaccination Position Paper-September 2013. Weekly epidemiological record 2013; 39:413-426

Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 15.12.2020

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Author: Merrill Bechtelar CPA

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Name: Merrill Bechtelar CPA

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